Projekt der Justus-Liebig-Universität Gießen hilft Dörfern, sich fit zu machen für die Landesgartenschau 2027 / Interessierte Orte können sich formlos bewerben

Wer in einem Dorf oder einer kleinen Gemeinde lebt, der hat dafür meist gute Gründe, etwa die gute Luft, die Ruhe, die Nähe zur Natur. Doch auch auf dem Land bleibt die Zeit nicht stehen, sollen Projekte verwirklicht, Altes bewahrt und Neues entwickelt werden. Aber nicht selten fehlt es im Ort selbst an Ideen, wie das Besondere, das Einzigartige des Heimatdorfs herausgestellt und gewürdigt werden kann. Zumal das Alltägliche allzu oft nicht als außergewöhnlich wahrgenommen wird. Ganz nach dem Motto: Was schon immer da gewesen ist, kann ja nichts Besonderes sein.

Quelle: D. Lijovic

An der Stelle kann der Blick von außen helfen. Aus diesem Grund bietet die Wirtschaftsförderung Wetterau in Zusammenarbeit mit der Justus-Liebig-Universität, Fachbereich Raumplanung und Stadtgeographie unter Leitung von Prof. Dr. Diller ein neues Projekt an, das sich speziell an Dörfer und kleine Gemeinden richtet. Bernd-Uwe Domes und Klaus Karger, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung, hatten unlängst in die neue Mitte nach Wallernhausen eingeladen, um das Projekt vorzustellen. Unter anderem waren Vertreter von Ortsbeiräten, des Vereins Oberhessen, des Freundeskreises der Landesgartenschau sowie vom Landkreis dabei.

Unter dem Stichwort „Den Blick für die Potenziale der Dörfer weiten“, werden sich im Rahmen des Projekts Geomarketing Studierende aus dem Masterstudiengang, Wirtschaftsgeographie, Mobilität und Raumentwicklungspolitik jeweils in den Wintersemestern 2022/23 und 2023/24 mit der Struktur, den Chancen und Möglichkeiten der Dörfer in der Region beschäftigen. „Aus Sicht der Universität wird durch das transdisziplinäre Projekt eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis geschlagen“, so Diller. „Dabei werden auch vertiefende Kenntnisse zu Stadt- und Regionalmarketing vermittelt und raumbasierte Analysen mit Geographischen Informationssystemen durchgeführt.“ Ein Ziel des Projekts ist es, die Dörfer fit zu machen für die Landesgartenschau 2027. Von daher richtet sich der Aufruf an die Orte aus den elf Kommunen, die Teil der Landesgartenschau in fünf Jahren sind. Die Bewerbung selbst kann relativ formlos aussehen. Die interessierten Orte können sich mit einem Anschreiben bewerben, in dem sie ganz konkret ihr Interesse bekunden. Darüber hinaus sollte ein kurzes Profil des Dorfs angehängt werden, aus dem die Struktur des Orts ersichtlich ist.

Wie viele Dörfer dann tatsächlich je Semester in den Genuss der fachlichen Expertise kommen, ist noch nicht ganz klar. Die Wirtschaftsförderer gehen davon aus, dass insgesamt etwa 20 bis 25 Studierende an dem Studiengang teilnehmen und in Gruppen von drei bis vier Studenten die ausgewählten Orte besuchen. Möglich wäre auch, dass zwei oder drei Nachbarorte zusammengefasst werden, die sich thematisch ähneln oder ähnliche Voraussetzungen haben.

Wie die Zusammenarbeit mit der Universität konkret aussehen wird, erklärte Domes im Anschluss. Zu Beginn werde es ein Treffen in den ausgewählten Dörfern geben, um während einer Dorfbegehung mit den Vereinen, den Bürgern und den Ortsbeiräten zu schauen, welches Potenzial es gibt und wie man dieses etablieren und ausweiten kann. Dabei sollen Strukturen und Potenziale im Ort offenbart werden. Dabei müsse geklärt werden, ob das Dorf schon Teil der Dorferneuerung gewesen ist und welche Ziele ganz grundsätzlich erreicht werden sollen. Die gesammelten Informationen werden an der Universität bearbeitet. Danach werden weitere Termine vereinbart, Interviews geführt und Ideen gesammelt. Am Ende arbeiten die Studierenden für jeden Ort nachhaltige Projektideen aus, die auch und gerade für die Landesgartenschau, aber auch darüber hinaus, interessant sein können. Diese Pläne stellen zum einen klare Handlungsempfehlungen für die Dörfer dar, die zum anderen im Zweifel auch mit anderen Projekten verknüpft werden können, die schon früher angestoßen wurden.

Martin Langlitz vom Fachdienst Kreisentwicklung beim Wetteraukreis machte deutlich, dass dieses Projekt eine große Chance für die Dörfer sei, Räume anders zu sehen und neu zu interpretieren. „Vor allem sollten sich die Orte, die bisher noch keine konkrete Vision haben, nicht abschrecken lassen“, so Langlitz. Durch einen Blick von außen können, im Zusammenspiel mit dem lokalen Knowhow der Beteiligten Dörfer, möglicherweise Themen und Projekte identifiziert und entwickelt werden, an die zuvor noch nie gedacht worden sei. In diesem Zusammenhang stellte er heraus, dass die Kreisverwaltung das Projekt sowohl mit Daten als auch als Ansprechpartner aktiv unterstützen werde.

Jürgen Stelter, Vorsitzender vom Freundeskreis Landesgartenschau, aber auch Mitglied im Ortsbeirat von Ober-Schmitten, hatte exemplarisch für sein Dorf zwei Projekte mitgebracht. Unter anderem sollen unter dem Motto „Erlebbare Nidda“ neue Attraktionen entstehen. Zudem könnte der ehemalige Kirchweihplatz zu einem Treffpunkt für alle Generationen werden. Auch Kai Könnecke, Ortsvorsteher von Wallernhausen, berichtet über die Idee des „Klimafesten Dorfes“. „Vor dem Hintergrund der dramatischen Überflutungsgeschichte Wallernhausens soll dieses Projekt das Dorf auf die zukünftigen Herausforderungen des Klimawandels vorbereiten. Hierzu wurden bereits thematische Arbeitskreise gegründet. Gleichzeitig soll die Projektidee des „Klimafesten Dorfes“ auch eine Vorbildfunktion für weitere Dörfer aus der Region erfüllen“.

Florian Herrmann, Projektmanager beim Verein Oberhessen und damit für die Organisation der Landesgartenschau 2027 mitverantwortlich, skizzierte zudem die immensen Herausforderungen, denen die Organisatoren in den nächsten fünf Jahren begegnen. Es gibt Kernelemente, die zum Pflichtprogramm „dieser gärtnerischen Fachmesse des Landes“ gehören. Dazu zählen etwa Themengärten von Fachbetrieben oder Blumenhallen. Diese Elemente seien ein Publikumsmagnet, für die viele Besucher eigens anreisen.

„Das soll und kann aber nicht alles sein“, so Herrmann. Denn darüber hinaus gebe es von den Kommunen genannte Projekte, mittlerweile etwa 90 an der Zahl, die das Besondere einer solchen Schau in Oberhessen herausstellen sollen. Die dritte Phase bringe die größte Herausforderung mit sich. Da werde es darum gehen, die Veranstaltung an vielen Orten über einen langen Zeitraum lebendig zu gestalten, um Gästen und Bevölkerung ein halbes Jahr das Gefühl zu geben, dass tatsächlich eine Landesgartenschau stattfindet. „Hier soll richtig Betrieb sein, hier sollen Feste gefeiert werden und alle sollen die Möglichkeit haben, diesen wunderbaren Landschaftsraum zu erleben“, so Henrike Strauch, Bürgermeisterin von Glauburg und Vorsitzende des Vereins Oberhessen. Von daher setze der Verein Oberhessen auf die Mitarbeit von Bürgern, Verbänden, Vereinen, den Landfrauen und allen Aktiven, die unterstützen wollen.

Dörfer und kleine Gemeinden (bis circa 3000 Einwohner) sind eingeladen, an dem Projekt teilzunehmen. Voraussetzung ist ein Anschreiben, in dem das Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet wird. Ferner sollte ein kurzes Profil des Ortes und seiner Struktur beigelegt werden. Beides kann per E-Mail unter dorf-akademie@wfg-wetterau.de an Sina Happel von der Wirtschaftsförderung Wetterau geschickt werden.

Teilnehmen können alle Orte aus den elf Kommunen der Landesgartenschau 2027: Büdingen, Echzell, Gedern, Glauburg, Hirzenhain, Kefenrod, Limeshain, Nidda, Ortenberg, Ranstadt, Schotten (Vogelsbergkreis).

Das erste Studienprojekt startet am 17. Oktober 2022 und endet am 10. Februar 2023, das zweite Studienprojekt beginnt am 16. Oktober 2023 und endet am 9. Februar 2024.