Damit auch kleine Ortschaften ihr Potenzial für die Landesgartenschau 2027 in Oberhessen erkennen und nutzen, arbeitet die Wirtschaftsförderung Wetterau mit der Justus-Liebig-Universität Gießen zusammen / Abschlussveranstaltung in der Kulturhalle Stockheim
In vier Jahren findet die Landesgartenschau (LGS) in Oberhessen statt. Das Besondere: Die Fachmesse des Gartenbaus wird nicht nur in einer Stadt stattfinden, sondern in einer ganzen Region – mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringen kann. Da die elf beteiligten Kommunen auch und gerade aus mehr oder weniger kleineren Dörfern bestehen, haben sich die Wirtschaftsförderung Wetterau, der federführende Verein Oberhessen sowie die Landesgartenschau gGmbH auf die Fahnen geschrieben, diese Ortschaften mit Blick auf die anstehende Großveranstaltung besonders zu unterstützen.
Die Wirtschaftsförderer um die beiden Geschäftsführer Klaus Karger und Bernd-Uwe Domes haben in der Vergangenheit bereits gute Erfahrung in der Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Geographie der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen gemacht. Studierende des Masterstudiengangs Wirtschaftsgeographie, Mobilität und Raumentwicklung erhielten die Aufgabenstellung, für ausgewählte Dörfer Chancen und Möglichkeiten im Rahmen der LGS zu erarbeiten. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Kulturhalle in Stockheim präsentiert.
Studierende nach ihrer Ergebnispräsentation zur Förderung von Dorfpotenzialen mit zuständigen Betreuern der JLU, wfg, LGS Oberhessen 2027 gGmbH und Ortsaktiven in der Kulturhalle Stockheim (Foto: Bernd Goettmann)
„Für die Landesgartenschau ist es ganz wichtig, die Region in ihrer Gesamtheit zu präsentieren“, sagte eingangs Bernd-Uwe Domes. Dazu gehörten unbedingt auch die Dörfer. „In diesem Projekt geht es darum, mit Hilfe von außen den Blick für Potenziale zu weiten, damit diese nachhaltig nach innen und außen wirken können“, fügte Domes hinzu. Auch Florian Herrmann, Geschäftsführer der Landesgartenschau gGmbH, betonte eingangs: „Die Bühne der Landesgartenschau in Oberhessen ist unsere Kulturlandschaft, die auch erst durch die Einbindung und Verknüpfung von Kleinprojekten richtig erlebbar wird“. Im Laufe der Präsentationen wurde deutlich, dass alle Ortschaften –mehr oder weniger– ähnliche Probleme haben: Es gibt zu wenig Gastronomie, zu wenig Übernachtungsmöglichkeiten, viele Orte können schlecht per Bahn oder Bus erreicht werden, vielfach fehlt es an barrierefreien Zugängen. Auch mangelt es an verfügbaren Parkplätzen. Außerdem präsentieren sich die Orte wenig oder gar nicht auf ausgewählten Online-Plattformen. Darüber hinaus engagieren sich zwar dieser Tage sehr viele Ehrenamtliche in den Ortschaften. Allerdings, so das Fazit der Studierenden, sollten noch mehr junge Menschen für das Projekt LGS begeistert werden.
Stärken und Schwächen analysiert
Acht Dörfer wurden von den Gießenern ausgewertet: Aus Glauburg die Ortschaften Stockheim und Glauberg, aus Limeshain die Dörfer Rommelhausen, Hainchen und Himbach, aus Ortenberg die Ortsteile Effolderbach und Lißberg sowie Eichelsachsen, ein Stadtteil Schottens. Jeder Ort wurde mehrfach besucht. Es wurden Einwohner befragt und Workshops organisiert. Schließlich haben die Studierenden der JLU Stärken, Schwächen, Chancen und Möglichkeiten für jeden Stadt- und Ortsteil herausgearbeitet.
Für Eichelsachsen sah das zusammenfassend so aus, dass die Ortschaft zum einen durch ihre schöne Fachwerkarchitektur und ihr sehr reges Vereinsleben punkten könne. Es gebe eine Mundartgruppe, drei Backhäuser und mit einem Kräuterlabyrinth und Anneroses Garten – einem 2500 Quadratmeter großen Privatgarten, der auch jetzt schon nachmittags für Besucher geöffnet hat – gebe es auch jetzt schon viele attraktive Sehenswürdigkeiten. Doch bevor die Besucher alle Höhepunkte entdecken könnten, müssten sie erst einmal nach Eichelsachsen kommen. Und da wird es schwierig, vor allem, wenn man nicht mit dem PKW anreisen möchte. „Der öffentliche Personennahverkehr müsste ausgebaut werden, außerdem gibt es keine Radwege, keine Gaststätten und wenige Möglichkeiten, am Ort zu übernachten“, so die Analyse. Zwar gebe es viele Attraktionen im Ort, aber die seien sehr vom Wetter abhängig. Schlechtes Wetter bedeute daher auch weniger Besucher.
Die Studierenden hatten drei Vorschläge, die sie den Eichelsachsenern an die Hand geben wollten: So schlugen sie vor, kulturgeschichtliche und naturkundliche Führungen anzubieten, Rundgänge durch den Ort und die Umgebung auszuarbeiten, die per Flyer ausgegeben werden könnten sowie Infotafeln zur Ortsgeschichte oder zu Besonderheiten in der Natur aufzustellen. Hier war vor allem von der Rhönquellschnecke die Rede, einer seltenen Schneckenart, die weltweit nur in der Rhön und im Vogelsberg – speziell in Eichelsachsen – vorkommt. Zum Übernachten schlugen die Studierenden u. a. Baumzelte vor. Manko auch hier: Die fehlenden Einkehrmöglichkeiten. Hier wurden im Rahmen der Präsentation immer wieder vorgeschlagen, Food-Trucks zu organisieren, also mobile Versorgungsstationen für regionale Produkte, die von Ort zu Ort fahren, um den Besuchern an vielen Standorten eine kulinarische Vielfalt anbieten zu können.
Damit Eichelsachsen von ortsfremden Besuchern gefunden wird, sollte die Onlinepräsenz erneuert werden, „besondere Orte sollten außerdem in Google-Maps aufgeführt werden“, so die Studierenden. Außerdem müsste der bestehende YouTube-Kanal der Mundartgruppe etwas leichter zu finden sein.
Ergebnisse auf andere Dörfer übertragen
„Ein weiteres Ziel dieses Projekts lag auch darin, die kreativen Ergebnisse auf andere Stadt- und Ortsteile zu übertragen“, so Sina Happel, Projektmanagerin der Dorf-Akademie und Ansprechpartnerin für finanzielle Fördermöglichkeiten bei der Wirtschaftsförderung im Rahmen der Landesgartenschau. Happel fasste die Kernpunkte aus den Studienarbeiten zusammen, die – mehr oder weniger – für alle untersuchten Orte gelten. So sollten alternative Übernachtungsmöglichkeiten gefunden werden, etwa Wohnmobilstellplätze, Baumzelte, Zeltcampus oder auch „ein Bett im Kornfeld“. Für die fehlende Gastronomie sollten neue Formen etabliert werden, etwa in Form eines Streetfood-Festivals oder auch durch regionale Foodtrucks. Da nicht alle Besucher per Rad zur LGS kommen werden, sollten bereits vorhandene Parkplätze, etwa Supermarkt-Parkplätze, die am Wochenende nicht benötigt werden, für die LGS ausgewiesen werden. Ferner sollten Erlebnis-(Spiel)plätze und Aussichtspunkte etabliert werden, die auch durch eine entsprechende Beschilderung ausgewiesen werden. „Darüber hinaus darf man die Online-Präsenz der Orte nicht vergessen“, so Happel. Und am Ende brauche es ganz grundlegende Dinge: Barrierefreiheit, ausreichende und gepflegte Sanitäranlagen sowie eine naturnahe Weiterentwicklung der Kulturlandschaft.
„Wir – also der Ortsbeirat von Lißberg – sind bei allen Ideen, die heute Abend vorgestellt wurden, dabei. Die Studierenden haben viele kreative Vorschläge erarbeitet, für die wir uns bedanken möchten. Unterstützung brauchen wir jetzt nur noch bei der Umsetzung der Ideen. Aber wie soll das alles finanziert werden?“, so der Ortsvorsteher von Lißberg, Herr Hans-Rudolf Kramny. Bei dieser Frage verwies Bernd-Uwe Domes u. a. auf die Fördermittelberatung bei der Wirtschaftsförderung und insbesondere auf die Förderung durch das LEADER-Programm. Dabei stehen der LEADER-Region Wetterau/Oberhessen von 2023 bis 2027 insgesamt sechs Millionen Euro an Fördergeldern zu.
Information:
In der nächsten Runde untersuchen im Wintersemester 2023/2024 Studierende der JLU die Ortschaften Büches, Calbach, Lorbach, Rohrbach, Vonhausen, Diebach am Haag (Büdingen), Wenings (Gedern), Kefenrod, Wallernhausen (Nidda), Bergheim (Ortenberg).
Wenn noch weitere Orte Interesse haben, können sich diese per E-Mail oder Telefon bei Sina Happel, Projektmanagerin bei der Wirtschaftsförderung, melden: sina.happel@wfg-wetterau.de oder 06031 77269-18.